Marina Hoermanseder: „Ich bin Material-Fetischistin“

Marina Hoermanseder designt aufwendige Korsagen und Röcke aus Leder. Zu ihrem Stammkunden gehören Lady Gaga und Rihanna. Der neue Shooting Star der internationalen Fashionszene im Interview über Haute Couture, Fetisch und ihre Heimat Wien.

Sie ist das neue Aushängeschild Österreichs in der Fashionwelt. Nach nur zwei Kollektionen ist Marina Hoermanseder bereits dort, worauf viele Jungdesigner jahrelang hinarbeiten. Ihre von hartem Leder, Riemenröcken und Schnallen geprägte Abschlusskollektion an der Modeschule Esmod in Berlin brachte sie 2013 sofort auf den Radar deutscher Modekritiker. die erst 28-jährige Alexander McQueen-Schülerin weht mit ihren fetisch- und orthopädieinspirierten Kreationen der Berlin Fashion Week einen Hauch Haute Couture in die Street Style dominierte Szene ein. Die Frühjahr/Sommer-Kollektion 2016 ist floral inspiriert und überzeugt durch detailverliebte Handwerkskunst.

Kevin Underwood:
Sie werden als „the next big thing“ in der Fashionszene gehandelt. Macht der schnelle Erfolg Druck?

Marian Hoermanseder:
Ich versuch’, mich davon nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen. Für mich ist vor der Show nach der Show. Aber so ist diese Branche. Davon lebt sie. Welcher Unternehmer kennt das nicht? Ich sag’ immer: Unter Druck entstehen Diamanten.

Ihre Mode ist geprägt von ‚Leder-Korsetts, Fetisch,- und Orthopädie’-Elementen. Wie kam’s denn zu dieser speziellen handwerklichen Vorliebe?
Ich wollte ursprünglich Schnürkorsagen lernen. Im Zuge meines Praktikums bei Alexander McQueen wurde ich sehr auf den weiblichen Körper gedrillt. Ich recherchierte viel und bin auf das orthopädische Korsett des 18. Jahrhunderts gestoßen. Das hat mich sehr berührt und inspiriert. Leder war für mich hier das perfekte Material, um mich diesem Thema zu nähern.

Haben Sie einen persönlichen Fetisch?
Ich bin eine Material-Fetischistin der Sonderklasse. Vor allem Rindsleder liebe ich. Wenn ich auf Stoffmessen unterwegs bin- das ist das Größte für mich. Ich hoffe, ich werde nie am Material sparen müssen.

„Ich bin eine Material-Fetischistin der Sonderklasse“

Worauf achten Sie bei der Verarbeitung des Leders?
Wichtig ist mir, dass das Leder vegetativ gegerbt wird. Es werden also keine chemischen Zusatzstoffe wie Chromsalze verwendet. Diese sind nämlich absolut umweltschädlich. Das Leder kommt aus Italien und Belgien. Jedes Leder kommt auch aus einer Fleischproduktion. Es kommt nicht infrage, Leder von Schlachthöfen zu beziehen, wo nicht auch das Fleisch verwertet wird.

Ein höchst nachhaltiger Ansatz…..
Ja, vielleicht mach’ ich irgendwann eine Fleischerei auf, um die komplette Wertschöpfungskette auszunutzen. Vertikale Integration, wie wir auf der WU (Wirtschaftsuniversität, Anm. d. Red.) gelernt haben. (lacht)

Dann hat sich Ihr Wirtschaftsstudium ja ausbezahlt gemacht, zu dem Ihre Eltern ‚gezwungen’ haben.
Nun, das war der Deal. Ich absolviere etwas „G’scheites“ und dann darf ich Mode machen. Ich bin auch wirklich froh darüber, denn das kommt mir jetzt in der Selbstständigkeit zugute. Man schreibt mir in der Branche dementsprechend Kompetenz zu. Und es ist eine Erleichterung zu wissen, dass man den Überblick übers eigene Business hat.

Ein enormer Vorteil, auch das Geschäft hinter der Kunst zu beherrschen. Viele aus der Kreativbranche springen da ins kalte Wasser.
Das stimmt. So gerne ich auch der Kunst diene, muss ich auch schwarze Zahlen schreiben.

Wie schaffen Sie die Balance zwischen Kunst und Kommerz? Wie sieht das Business-Modell aus?
Es gibt die Show-Pieces, die für Aufmerksamkeit sorgen und über die die Presse schreibt. Diese kombiniere ich mit tragbaren Prêt-à-porter-Elementen, die man dann in den Geschäften findet. So gern ich auch Reifröcke designe, bin ich Produkten für ein breites Publikum nicht abgeneigt. Diese Gratwanderung zwischen Avantgardekunst und Prêt-à-porter gilt es am Ende des Tages zu bewältigen.

Sie bringen mit Ihren Kreationen Haute Couture in die Berliner Modeszene, die ja besonders vom Street Style geprägt ist. Ist das wirklich die richtige Stadt für Sie?
Berlin ist auf jeden Fall die richtige Stadt für mich. Sie hat mir von Anfang an die richtige Bühne geboten und bleibt auch mit der Internationalisierung meines Labels die Homebase.

Haben Sie nach Ihrem Modestudium nie überlegt, nach Wien zurückzukehren?
Ja, allerdings nicht zum Arbeiten sondern wegen des guten Lebens. Da ist Wien unübertroffen.

In Wien durchzustarten war keine Option?
Ich glaube nicht, dass ich es in Wien so schnell geschafft hätte. Das ist der klassische Fall des Propheten im eigenen Land.

Also, Berlin – „the place to be“ als Jungdesigner?
Absolut. Es ist sehr hilfreich, als Modelabel aus Berlin zukommen. Das ist mittlerweile eine eigene Marke nach außen. Man wird international als exotisch und interessant wahrgenommen. Auch in Amerika sieht man das so.

Ihre Kreationen sind sehr aufwendig. Macht das Probleme im Daily Business als so junges Label?
Wir wachsen derzeit sehr schnell und kommen kaum mit der Produktion hinterher. Es wird jetzt richtig ernst. Man muss profitabel sein und das Niveau der Qualität gleich hoch halten. Mittlerweile sagen wir Aufträge im Bereich der Kooperationen auch ab.

Sie können sich also mittweile aussuchen, wer sich von ‚Marina Hoermanseder’ ausstatten lassen darf?
Es ist strategisch nicht klug, omnipräsent zu sein. Ich überlege sehr genau, mit wem ich zusammenarbeiten möchte, wer der Marke guttut.

Sie sind begeisterte Wahl-Berlinerin. Vermissen Sie etwas an Ihrer Heimat Wien?
Oh, ja! Vor allem das Essen. Ich liebe Mannerschnitten, Finessa Marzipan, Beinschinken und geriebenen Kren. Es gibt in Berlin keinen geriebenen Kren. Das macht mich wahnsinnig! (lacht)

Was gefällt Ihnen in Deutschland besonders gut?
Was mir sehr gut gefällt im geschäftlichen Sinne, ist, dass man sich auf Vereinbarungen wirklich verlassen kann. Es ist alles sehr pünktlich und genau geregelt. Das ist in der Arbeitswelt einfach super angenehm. In Italien beispielsweise ist den ganzen August über ‚ferragosto’ und alles steht still.

Wie kommen Sie als Österreicherin in Deutschland zurecht?
Man fällt als höflicher Österreicher in Deutschland halt schon auf, wenn man für alles ‚gerne’, ‚bitte’ und ‚danke’ sagt. Da ist der Umgangston, vor allem in Berlin, ein härterer.
Aber generell ist es als Österreicher herrlich in Deutschland. Man hat einen riesen Niedlichkeitsbonus. Egal wo man hingeht, jeder freut sich über den österreichischen Akzent.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hoermanseder!

Marina Hoermanseder erobert die internationale Modewelt. ©Bernhard Musil
Marina Hoermanseder erobert die internationale Modewelt. ©Bernhard Musil

 

Info:
Marina Hoermanseder ist in Kuweit, Paris, Los Angeles und Zagreb vertreten.

www.marinahoermanseder.com

 

 

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