Zuerst wollte er die Entwicklung biologischer Waffen in Hamburg studieren, später wurde er Fotograf. Heute führt Alexis Fernandez Gonzalez die Vorzeige-Boutique für österreichische Designermode.
Er war erst 15, als er nach Deutschland kam. Schon damals hatte er sehr konkrete Berufspläne: „Ich wollte unbedingt industrielle Mikrobiologie studieren.“ Die Enzwicklung biologischer Waffen faszinierte ihn, was seine sozial engagierte Familie in Kolumbien sehr besorgte. Die Leidenschaft für Biowaffen wich später einem „deprimierenden und langweiligen“ Jus-Studium, ehe er sich der Fotographie und somit der Welt der Mode widmete.
Den ersten Kontakt mit der Modewelt hatte der quirlige Kolumbianer vor der Kamera als Model, denn „Ich war jung, hübsch und brauchte das Geld“. Der Modeljob wurde ihm nach einer Weile zu eintönig, dafür begeisterte er sich umso mehr für den Fotografenberuf und schloss das Fotografie-Studium an der Angewandten in Hamburg auch ab. Nach zwei Jahren als Foto-Assistent beim Axel Springer Verlag war es wieder Zeit für etwas Neues. Mittlerweiler führte Alexis seit fünf Jahren eine Fernbeziehung mit einem Wiener und beschloss 2009, ganz herzuziehen, denn „außer meinem Kreditkarteninstitut ging es keinem dabei gut“.
Nach den ersten Jahren in Wien wollte Alexis endlich seinen Traum, sein eigener Chef zu sein, mit einer Boutique umsetzen. „Ich überlegte, was kann ich gut? Ich verstehe was von Mode und ich kann gut reden.“ Nach der ersten Gründungsphase schaffte er es, das zweistöckige „Runway“ in der Goldschmiedgasse nach nicht einmal zwei Jahren zur festen Adresse für heimische feine Roben und Abendkleider zu etablieren.
INTERVIEW_ Kevin Underwood sprach mit dem 33-Jährigen über den österreichischen Modestil, Tellerröcke und weshalb Touristen immer nach dem „Sisi-Look“ fragen.
Kevin Underwood:
Wie kam es zu der Idee einen Designer-Store mit österreichischen Labels zu führen?
Alexis Gonzalez:
Ich bin viel gereist und weiss, dass jede große Metropole wie London, Mailand oder Paris bestimmte Adressen haben, wo man tolle, hochwertige einheimische Designermode finden kann. In Wien gab es so etwas nicht. Das wollte ich hier machen.
Ich wollte eine Plattform für exquisite nationale Produkte schaffen. Der internationale Kunde wird nicht den ganzen siebten Bezirk abklappern, um einem Designer zu finden.
Welche Labels erfüllen Ihre Ansprüche, in Ihrer Boutique gelistet zu sein?
An erster Stelle steht die Qualität des Materials und der Ausführung. Unsere Designer sind immer noch international gesehen „no names“, umso mehr muss das Produkt überzeugen. Deswegen ist ein österreichisches Designerkleid schon mal besser verarbeitet als ein Elie Saab oder ein Zuhair Murad. Und tragbar muss es sein. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Österreich leben.
Was bedeutet das?
Die Teile sollen österreichische Mode nach außen repräsentieren. Wenn wir an London denken, denken wir an schräge, außergewöhnliche Mode. Bei Österreich denkt man an Klassik, schöne fliesende Linien, an Geschichte. Es darf natürlich etwas modern sein, aber ein Kleid muss in Österreich immer noch ein Kleid bleiben. Zu viele Experimente kommen nicht gut an.
„Ein österreichisches Designerkleid ist besser verarbeitet als ein Elie Saab oder ein Zuhair Murad.“
Wie tickt denn der österreichische Modeinteressierte?
(lacht) Der tickt gar nicht. Der typische österreichische Modegeschmack ist: Klassische, klare Linien mit einem interessanten Innenleben, aber nach außen soll nichts zu sehen sein und es soll praktisch und dauerhaft sein. Bloß keine Experimente, bloß kein Avantgarde.
Ist das nicht langweilig für so jemand Kreatives wie Sie?
Jaa! (lacht) Aber ich sehe das als meine Aufgabe, diesem klassischen Geschmack etwas Mut durch extravagante Details einzuhauchen.
Wie sieht für die österreichische Ballbesucherin das perfekte Ballkleid aus?
Die Österreicherinnen, im Gegensatz zu internationalen Ballbesucherinnen, mögen es da schlichter. Sie haben sich an den pompösen Tellerröcken sattgesehen und wissen ganz genau, wie umständlich eine sieben-Meter-Schleppe ist.
Die, die von außen kommen, sind viel naiver. Die Touristinnen verlangen das klassische Programm: Das aufwendige Prinzessinnen-Kleid mit langer Schleppe. So stellen sie sich ein österreichisches Ballkleid vor. Die sagen dann „please, let me look like Sissi!“.
„Die ausländischen Kunden wollen Drama auf dem Kleid: Pailletten, Glitzer, Schleppe.“
Die Ball-Saison ist im vollen Gange. Was kommt besonders gut an?
Dieses Jahr dominiert Schwarz und Rot sehr stark. Vor allem Rot. Wenn die Österreicher auffallen wollen, ziehen sie Rot an. Im Alltag wäre das wieder viel zu laut. Die ausländischen Kunden wollen Drama auf dem Kleid: Pailletten, Glitzer, Schleppe.
Sie haben sich mit Ihrem Portfolio an österreichischen Designern nicht gerade die einfachste Nische ausgesucht. Wie ist es Ihnen mit „Runway“ seit der Gründung vor über einem Jahr ergangen?
Es war nicht einfach. Wien ist nicht Paris, Wien ist nicht Mailand. Wenn man an Österreichische Haute Couture denkt, denkt man an nichts. Da ist keine Assoziation. Seit Helmut Lang ist in Österreich nichts mehr passiert, bis Lena Hoschek kam. Aber sie macht eben Dirndl. Ich liebe Lena, aber es ist immer noch ein Dirndl.
Ein schwieriger Markt?
Sehr. Es gibt viel Avantgardistisches, viel urbane Mode. Aber dafür fliegt keiner extra aus dem Libanon her. Bei meiner Auswahl schon. Mittlerweile haben wir Stammkunden, die regelmäßig herfliegen.
Wie hat sich Wien als Modemetropole gewandelt?
In den letzten fünf Jahren, in denen ich hier lebe, hat sich Wien extrem gewandelt. Die Mode auf der Straße, die Mode des normalen Menschen ist kreativer und aufregender geworden. Jetzt gibt es überhaupt Stil! (lacht) Das touristische Publikum in Wien hat sich auch gewandelt. Wien war früher das letzte Eck von Westeuropa, das man im Vorbeigehen besucht, wenn man schon mal bis nach Budapest gekommen ist. Das ist nicht mehr so. Jetzt fliegen die Leute gezielt hierher.
Wie muss das perfekte Ballkleid sitzen?
Das kommt ganz auf die Figur an. Es gibt keine hässlichen, nur schlecht angezogene Frauen. Wenn jemand Speck auf den Rippen hat, sind Spaghetti-Träger und Pailletten No-Gos. Ab fünfzig ist ‚rückenfrei’ tabu. In einem Tellerrock geht man mit 1,50 Metern unter. Nicht alles, was Nicole Kidman trägt, steht einem selber.
Danke für das Gespräch!
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Info:
RUNWAY Vienna
Goldschmiedgasse 10
1010 Wien
www.runwayvienna.at
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Ein kleiner Einblick in das Angebot an österreichischen Designern im RUNWAY: