Was nicht vorhanden ist, muss erschaffen werden.Dieser genesetische Gedanke ist vielleicht so alt wie die Erde, ja mehr noch, der Ausgang und Ursprung ihrer selbst.
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde; die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser….Dann sprach Gott: Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werdet. So geschah es. Das Trockene nannte Gott Land und das angesammelte Wasser nannte er Meer.Gott sah, dass es gut war“Das Erschaffen von Dingen ist also älter, als der Mensch selbst, denn am sechsten Tag erst erschuf Gott den Menschen.
Diese, uns seit Kindesbeinen vertraute Metaphorik ist sicher nur ein prosaisch gemaltes Bild, um den Vorgang der Genesis plastisch zu gestalten. Aber so mag es nicht verwunderlich erscheinen, dass die Notwendigkeit zu „Erschaffen“ für den Menschen eine nahezu notwendiger genetischer Determinismus wurde.Adam und Eva wurden sich im Garten Eden erst durch den Sündenfall ihrer Nacktheit gewahr und um diese zu verbergen, bedienten sie sich des Feigenblattes. Die erste, originärste Form der Bekleidung war also geschaffen. Eigentlich kann man sagen: das Feigenblatt kann als das erste Stück Haute Couture gelten.
In der griechischen Vorstellungswelt stiftete in der Folge Prométheus, der „Vorausdenkende“ dem Menschen Kultur und eine weitere Essenz des Lebens: das Feuer. Mit dem Feuer war der Mensch nun in der Lage, nicht nur seine Wohnstatt zu
wärmen , sondern auch Nahrung zuzubereiten. Das erwämte Fleisch, das erste Stück Luxus. Und wenngleich die Erfindung des Rades bereits ins dritte und vierte Jahrtausend vor Christus zeigt, so dauerte es bis ins vierte Jahrhundert v. Chr., bis mit Muskelkraft betriebene Treträder hellenische Belagerungstürme zu erobern vermochten. 308 v. Chr. wurden dann im Wagen des Demetrios von Phaleron erstmals Menschen transportiert, die sich im Inneren des Gefährts befanden. Auch aus der römischen Geschichte ist ein Wagen bekannt, der innen von Sklaven mit Muskelkraft bewegt wurde.Als echter Visionär kann allerdings erst Roger Bacon gelten, ein Mönch und Gelehrter des Mittelalters,war er es doch, der erstmals die Idee des sich selbstständig fortbewegenden Mobils formulierte:“Eines Tages wird man Karren zu bauen vermögen,die sich bewegen und in Bewegung bleiben, ohne geschoben oder von irgendeinem Tier gezogen werden.“
Wie mag sich nun also Nicolas Cugnot an jenem Morgen des 18. Juni 1769 gefühlt haben, als er seinen für die französische Armee konstruierten dreirädrigen Dampfwagen vorführte. Das Gefährt hatte zwei Zylinder und erreichte wohl eine Geschwindigkeit zwischen 3 und 5 km/h. Das kleine b Moll der cugnotschen Erfindung war jedoch, dass sie als schwer lenkbar galt, denn der über der Vorderachse montierte Wasserkessel gab dem Vehikel ein zu hohes Vordergewicht, so dass bereits die erste Demonstrationsfahrt jäh an der Kasernenmauer endete. Als echtes Geburtsjahr des Automobils im heutigen Verständnis gilt nun allerdings das Jahr 1886 und zwar das Carl Benz Patent „Motorwagen Nummer 1“.
1886 war man wohl noch weit davon entfernt, den Motorwagen Nummer 1, also das soeben erstmals zur Serienreife gebrachte Fahrzeug in der Mitte auseinander zu sägen, es breiter zu gestalten, es martialischer erscheinen zu lassen, es tiefer zu legen und es dann in ein aus 36 Schichten bestehendes Lackkleid zu hüllen.
Hätte allerdings im fien de siecle Oliver Kaps schon gelebt, hätte er vermutlich genau dies getan. Zwar gab es in jener Zeit ja noch kein automobilistisches know how, aber Kaps denkt seiner Zeit immer Dekaden weit voraus.
„Je mehr Schichten Du hast, desto mehr Tiefe hat der Lack, Du musst bei Lack das Gefühl haben, in eine Schneekugel zu gucken, die wir als Kinder so gerne geschüttelt haben. Die Umgebung, in der ein von mir gebautes Auto steht, muss sich dreidimensonalisiert im Lack abbilden, sozusagen eine eigene Welt in der Welt werden“
Ende Teil 1
Teil 2:
Wagenbauanstalt
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Text by Sascha Henn