Die Redaktion und Kevin Underwood informiert dich regelmäßig mit Experten über die aktuelle internationale Finanzlage. Heute gibt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management einen aktuellen Überblick.
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Für Tilmann Galler besteht das Risiko darin, dass Notenbanken angesichts noch sehr hoher Kerninflationsraten die Nerven verlieren könnten und mit den Zinsen zu weit nach oben gehen. Ein allzu frühes Senken von Zinsen ist laut dem Ökonomen nicht zu erwarten. „Die Zentralbanken werden die Zinsen nicht präventiv senken“, betont Galler. Die Fed wird seiner Meinung nach bei der Zinspolitik nur etwas „nachschärfen“. Die Zinserhöhungen dürften damit in den USA allmählich am Ende angekommen sein, allerdings hält er erste Zinssenkungen vor 2024 nicht für realistisch. EZB und Bank of England dürften hingegen noch mehr Wegstrecke bei den Zinserhöhungen vor sich haben, bei der EZB erwartet Galler noch weitere Erhöhungen bis zur Vier-Prozent-Marke.
Eine Rezession erscheint für Galler unausweichlich, um die Inflation nachhaltig loszuwerden. Darauf sind aus seiner Sicht nicht alle Asset-Klassen gleichermaßen vorbereitet. Insbesondere US-Hochzinsanleihen könnten stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Bonitätsstarke Staatsanleihen eigneten sich hingegen gut als Puffer bei konjunkturellen Rückschlägen. Anleihen mit langen Durationen könnten ebenfalls mehr Stabilität bei Rückschlägen liefern. Auch alternative Anlageklassen könnten dazu beitragen, einen Anstieg der Volatilität abzumildern. Hier sieht Galler vor allem Makro-Strategien im Fokus.
Während der Kapitalmarktexperte Aktien aktuell als nicht besonders hoch bewertet ansieht, könnten die Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate zu optimistisch sein. „Zwar sind in den letzten Monaten die Gewinnwachstumserwartungen für 2023 bereits um rund 10 Prozent gesunken. Zeigt sich die Wirtschaft jedoch weniger resilient und die Rezession kommt schneller als erwartet, dann sind die Gewinnerwartungen für dieses Jahr wahrscheinlich zu hoch“, sagt Galler. Mit Blick auf die Aktienmärkte dürften vor allem Qualitätsaktien im Vorteil sein. Die Dividendenausschüttungen sollten stabil bleiben, da die Ausschüttungsquoten über alle Regionen hinweg weiterhin auf einem relativ tiefen Niveau liegen.
Der US-Aktienmarkt sollte für unruhigere Zeiten gut gewappnet sein. Die Breite des Marktes und die Stärke der US-Konsumenten könnten den S&P500 im Vergleich zu Europa etwas robuster dastehen lassen. Auch steigen die Gewinnerwartungen für die USA wieder. „Big Tech“ erlebt zwar seit über einem Jahr eine Verlangsamung beim Wachstum, dürfte aber im zweiten Halbjahr wieder an Fahrt aufnehmen. Günstig bewertete Unternehmen sind in den USA vor allem noch im Gesundheitswesen, aber auch bei Versicherungen oder auch bei einigen Finanzdienstleistern wie Kreditkartenunternehmen zu finden. Die weiter fallende Inflationsrate – im Juni lag sie bei nur noch 3,0 Prozent, nach 4,0 Prozent im Mai – dürfte ebenfalls beruhigend auf die Märkte wirken.
Insgesamt blickt Tilmann Galler verhalten optimistisch auf das zweite Halbjahr 2023: „Die Inflation dürfte zurückgehen, wenngleich wir voraussichtlich auf eine moderate Rezession zusteuern. Angesichts eines Zinsumfelds, das vorerst restriktiv bleibt, dürften die Renditen von Staatsanleihen auf dem jetzigen Niveau verharren. Allerdings könnten die Gewinnmargen unter Druck kommen, was für mehr Volatilität am Aktienmarkt sorgen wird. Die Aktienmärkte könnten sicherlich mit einer milden Rezession leben, wenn aber in einer tieferen Rezession die Gewinne um mehr als zehn Prozent revidiert werden müssten, könnte es unruhiger werden“, so Tilmann Gallers Fazit.
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Headlinefoto:. J.P. Morgan Asset Management. Fotograf:Manjit Jari
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